Persönliche Assistenz – Flexibilität, Fairness und Herausforderungen bei Assistenz24
Persönliche Assistenz ermöglicht Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben – doch das System dahinter ist komplex und stellt Dienstleister wie Assistenz24 vor vielfältige Herausforderungen. Fragen zur Finanzierung, zu Beschäftigungsmodellen und zur sozialen Absicherung der Assistent:innen stehen dabei ebenso im Raum wie die Auswirkungen der lang diskutierten Harmonisierungsrichtlinie.
- Warum kostet eine Stunde Assistenz € 28,50 , während Assistent:innen lediglich € 14,00 verdienen?
- Wie wird mit kurzfristigen Ausfällen umgegangen?
- Welche Rolle spielen Freie Dienstverhältnisse?
- Was übernimmt der Fördergeber – und wie positionieren wir uns zum sogenannten „Wiener Weg“?
Eine echte Harmonisierung – eine gute Idee mit Problemen in der Umsetzung
Grundsätzlich stehen wir einer echten Harmonisierung sehr positiv gegenüber. Es sollte keine Frage des Geburtsortes oder der Diagnose sein, wie viele Stunden Assistenz jemand erhält. Die ursprüngliche Idee der Harmonisierung fanden wir daher richtig und unterstützenswert.
In der Praxis sind jedoch neun unterschiedliche Landeslösungen entstanden, deren Finanzierung vielfach nicht gesichert ist. Dies hat etwa in Vorarlberg dazu geführt, dass Kolleg:innen Insolvenz anmelden und ihren Betrieb aufgeben mussten. Wir stehen solidarisch an ihrer Seite und halten es für äußerst bedenklich, dass unsere gemeinsamen Bedenken nicht ausreichend berücksichtigt wurden und politisch bislang kaum Maßnahmen gesetzt wurden, um hunderte Arbeitsplätze und die Versorgung zu sichern.
Der Wiener Weg – wohlüberlegt statt überstürzt
Umso mehr begrüßen wir den „Wiener Weg“ und die Entscheidung von Stadtrat Peter Hacker, unter den aktuellen bundesweiten Rahmenbedingungen keine überhasteten Änderungen vorzunehmen. Stattdessen setzt Wien auf eine schrittweise, durchdachte Umsetzung – ein Ansatz, den wir ausdrücklich unterstützen.
Die aktuelle Situation bei Assistenz24
Assistenz24 ist in vier Bundesländern tätig. Aufgrund der jeweils unterschiedlichen Strukturen und Vorgaben ist es schwierig, eine einheitliche Lösung für alle Assistent:innen und Assistenznehmer:innen zu etablieren.
Kostenstruktur und Leistungen im Überblick
Viele Menschen fragen uns, warum eine Dienstleistungsstunde mit € 28,50 verrechnet wird, wenn die Assistent:innen
doch nur rund € 14,00 pro Stunde erhalten. Hier eine transparente Aufschlüsselung:
- Finanzierung durch Fördergeber: In Wien zahlt der FSW (Fonds Soziales Wien) einen fixen Stundensatz von € 24,00 an alle Dienstleister:innen. Die Verrechnungssätze können je nach Anbieter variieren.
- Lohnkosten: Unsere Assistent:innen erhalten durchschnittlich € 14,00 netto pro Stunde.
- Betriebliche Aufwendungen:
Der verbleibende Betrag deckt keine Gewinne, sondern fließt ausschließlich in betriebliche Kosten. Dazu zählen:
- Sozialversicherungskosten (über 21 € pro Stunde)
- Büroverwaltung, Steuerberatung, Lohnverrechnung
- 24-Stunden-Notfallmanagement
- Miete, Telefon, Inserats- und Anwaltskosten
- Auswahl, Betreuung, Supervision und Schulung von Assistent:innen
- Öffentlichkeitsarbeit, Austauschformate und kleine Aufmerksamkeiten für Kund:innen und Mitarbeitende
- Ausfallrisiken: Bei Todesfällen, Zahlungsausfällen oder anderen unvorhersehbaren Situationen müssen wir selbst für entstehende Kosten aufkommen – es gibt dafür keine staatliche Absicherung.
Assistenz24 ist also weit mehr als nur eine Vermittlungsplattform.
Wir begleiten sowohl Kund:innen als auch Assistent:innen intensiv und sind als gemeinnütziger Anbieter ISO 9001 zertifiziert.
Umgang mit Ausfällen
Ein zentrales Element in der Persönlichen Assistenz ist Organisations- und Anleitungskompetenz. Wenn Assistent:innen kurzfristig ausfallen, organisieren wir auf Wunsch einen Ersatz. Das ist oft nicht einfach, besonders bei besonderen Anforderungen oder enger persönlicher Bindung zwischen Assistenznehmer:in und Assistent:in.
Dank der Flexibilität Freier Dienstverhältnisse konnten wir im Jahr 2024 auf 1381 Ersatzdienstanfragen reagieren – nur weniger als 1 % blieben unbesetzt. In diesen seltenen Fällen suchen wir gemeinsam mit den Kund:innen nach Alternativen: vom Einsatz externer Hilfsdienste über Mitbewerber bis hin zum Pflegenotruf. In Einzelfällen helfen auch Familie, Nachbar:innen oder es wird auf Ersatz verzichtet. Wichtig: Der organisatorische Aufwand wird nicht gesondert vergütet.
Freie Dienstverhältnisse – mehr Flexibilität für alle
Geplante Reformen bringen immer wieder die Forderung nach verpflichtenden Anstellungsverhältnissen auf. Aus unserer Sicht wäre dies eine Einschränkung der Wahlfreiheit – sowohl für Menschen mit Behinderung als auch für Assistent:innen.
Freie Dienstverhältnisse ermöglichen eine flexible Gestaltung von Arbeitszeiten, Aufgaben und persönlichen Bedürfnissen. Die Assistenz kann mit in den Urlaub genommen werden, früher nach Hause geschickt oder spontan kontaktiert werden, wenn sich der Bedarf ändert. Auch längere Dienste sind unkompliziert möglich.
Zudem sind Freie Dienstnehmer:innen in Österreich sozialversicherungsrechtlich Angestellten gleichgestellt. Sie haben Anspruch auf Krankengeld, Pensionsbeiträge und andere Leistungen. Kündigungsfristen sind flexibler – niemand muss in einem nicht funktionierenden Arbeitsverhältnis bleiben. Lösungen werden im Bedarfsfall gemeinsam gefunden.
Auch für Assistent:innen bietet das Modell Vorteile: Ob wenige Stunden neben dem Studium oder eine intensive Phase mit anschließender Auszeit – das System erlaubt individuelle Lebensplanung und Selbstbestimmung.
Fazit
Flexibilität sichern, Qualität gewährleisten
Der oft geäußerte Vorwurf, Assistenz24 profitiere finanziell von der derzeitigen Regelung, trifft nicht zu. Vielmehr garantiert unser Modell ein Höchstmaß an Flexibilität, das unter starren Anstellungsverhältnissen kaum möglich wäre – es sei denn, der Steuerzahler übernimmt zusätzliche, ineffizient genutzte Kosten.
Assistenz24 setzt sich auch weiterhin für eine zukunftsfähige, flexible und faire Gestaltung der Persönlichen Assistenz ein – mit dem Ziel, größtmögliche Selbstbestimmung für Menschen mit Unterstützungsbedarf und faire Bedingungen für alle Assistent:innen sicherzustellen.